CFOs treten ihre Position immer stärker als Business-Partner in Digitalisierungsprojekten an, sagt Thomas Hartenfels, Director bei Robert Walters.
Was ist der Verantwortungsbereich des Chief Financial Officer (CFO)? Alles, was mit den Unternehmenszahlen zu tun hat, oder? Auch wenn das Bild des ausschließlichen Zahlenmenschen noch immer verbreitet ist, wandelt sich die Rolle des CFOs doch zunehmend. Für uns als Personalberater wird in den Gesprächen mit Unternehmenslenkern, Führungskräften und Finanzvorständen die Erweiterung des Aufgabengebietes hin zur Digitalisierung immer deutlicher. Technologie beeinflusst in immer größerem Maße den Unternehmensalltag: Sie wirkt sich auf den Finanzbereich aus, auf die personelle Ausstattung, auf die Zusammenstellung der Aufgaben und eben auch auf die Anforderungen an den CFO.
Ich möchte an dieser Stelle versuchen, einen Blick auf einen möglichen Endpunkt dieser Entwicklung zu werfen. Meine Vermutung: Speziell im Finanzwesen wird der CFO, so wie er heute verstanden wird, eine ganz andere Rolle spielen. Der Finanzstratege wird zum Zukunfts- und Digitalstrategen, der neben seinem BWL-Rüstzeug jede Menge digitales Know-how mitbringen muss. Aber der Reihe nach. Anbei drei Thesen, die die kommenden Veränderungsprozesse und das Big Picture ausleuchten.
These 1: Informatik wird das neue Accounting.
Accounting – hält den Laden am Laufen, erfindet aber das Rad nicht neu. So oder so ähnlich kann man die Buchhaltung heute vielleicht mit wenigen Worten charakterisieren. Und viel wird sich daran auch nicht ändern: Rechnungen gehen ein, werden geprüft und beglichen, Bestellungen werden verwaltet und Löhne ausbezahlt. Die wichtigen Veränderungen passieren nicht beim was, sondern beim wie. Das Accounting wird in den kommenden Jahren im großen Maßstab automatisiert. Dabei kommen Technologien zum Einsatz, die es deutlich erschweren, sich dem Thema „so nebenbei“ zu nähern: Blockchain, künstliche Intelligenz und Robotics sind technologisch anspruchsvolle Felder und außerordentlich komplex. Die Analysemöglichkeiten werden ungeahnte Ausmaße annehmen, analytische und IT-nahe Tätigkeiten werden immer stärker nachgefragt. Die Grundmelodie der Tätigkeit des CFO wird daher künftig von der IT angestimmt werden – nicht mehr vom Accounting.
These 2: Wer keine Finance-Abteilungen leitet, bringt seine Fähigkeiten anders ein.
Wo heute noch Heerscharen von Menschen arbeiten, herrscht also vielleicht bald gähnende Leere. Personalintensive Bereiche wie Buchhaltung, Controlling und Treasury eignen sich durch ihren repetitiven Charakter besonders für eine umfassende Automatisierung. Und der CFO? Wird nicht arbeitslos. Statt ein großes Team an Finanzspezialisten zu leiten, wird er eine Rolle einnehmen, die seinen Fähigkeiten entspricht: Sein analytisches Grundverständnis wird in der strategischen Zukunftsentwicklung gebraucht. Er liefert in Entscheidungsprozessen die nötige Datenanalyse. Als Businesspartner für Digitalisierung ist er deshalb auf zusätzliches Handwerkszeug angewiesen, was mich zu These 3 bringt.
These 3: Der CFO 4.0 – künftig ein Wirtschaftsinformatiker?
BWL ist gut, Informatik noch besser – das bringt vielleicht auf den Punkt, was zukünftig in der Stellenausschreibung von einem CFO gefordert wird. Weil Mitarbeitern via Self-Service-Reporting umfangreiche Analysemöglichkeiten geboten werden, können sie Geschäftszahlen analysieren, relevante KPI erheben und Standardreportings generieren. All das befähigt zur selbstständigen Finanzanalyse. Der CFO übernimmt stattdessen schon heute – und in Zukunft verstärkt – Aufgabengebiete, die von ERP-Projekten, Cloud Computing und Data-Collection-Projekten geprägt sind. Aufgabengebiete also, die aus der IT stammen und mit Software unterstützt und gelöst werden können. IT-Projektleiter mit Finanzkenntnissen dürften deshalb wohl die künftigen Treiber im Finanzwesen sein – und dies wird sich auch in der obersten Leitungsfunktion widerspiegeln.
Die aktuelle Lage auf dem Stellenmarkt – und die Zukunft
Mit Blick auf den Markt sehen wir in der Personalberatung deutlich: CFOs treten ihre Position immer stärker als Business-Partner in Digitalisierungsprojekten an. Eine große Rolle spielen dabei Projektmanagementfähigkeiten und IT-Kompetenzen. Trotzdem muss man feststellen, dass diese Änderungen in vielen Unternehmen noch nicht angekommen sind.
Unsere Befragung von 60 CFOs im ersten Quartal 2021 ergab, dass sich über 50 Prozent der heutigen CFOs noch nicht in der Lage sehen, den Hauptteil ihrer Zeit wertsteigernden Digitalisierungsprozessen zu widmen. Rund 30 Prozent sehen bei sich selbst Unzulänglichkeiten, wenn es um Projektmanagement-Fähigkeiten geht, und lediglich 15 Prozent geben an, über Zertifizierungen zu verfügen, die sie bei neu einzustellenden Mitarbeitern selbst verlangen.
Es werden also noch einige Jahre vergehen, bis die Änderungen des skizzierten Suchprofils sichtbar werden. Bis dahin sollte die erklärte Stoßrichtung sein, dass sich CFOs entsprechend weiterbilden und sich mit den verschiedensten Fähigkeiten befassen: Projektmanagement, Agilität und der Implementierung neuer Technologien.
Im Moment zählt ein CFO mit Scrum-Master- und Big-Data-Zertifizierung und einschlägigen Referenzprojekten zu einer äußerst begehrten Spezialistengruppe. Doch dies wird aller Voraussicht nach nicht so bleiben. Denn über kurz oder lang kann sich das bisherige Suchprofil noch stärker verschieben und der ITler mit umfangreichen Erfahrungen in Finanzprojekten ist künftig ebenfalls ein adäquater CFO-Kandidat. Für Unternehmen, aber gerade auch für CFO-Anwärter ist es elementar, diese Entwicklung rege zu verfolgen und rechtzeitig die Weichen des eigenen Skillsets in Richtung eines technologisch orientierten CFO-Berufsbildes zu stellen.
Thomas Hartenfels ist Senior Director bei Robert Walters. Seit Mai 2016 ist er Director des Düsseldorfer Büros. Inzwischen verantwortet er als Senior Director South ebenfalls das Frankfurter Büro. In dieser Funktion leitet und koordiniert er die Teams Accounting & Finance, Sales & Marketing, Interim Management sowie IT. Diese unterstützen Kundenunternehmen und Kandidaten im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands bei Stellenbesetzung und Karriereentwicklung.