Unternehmen sollten sich auf eine virtuelle Betreuung ihres Personals einstellen. Sudhir Christian Mitter von Alight Germany erklärt, was dabei zu beachten ist.
Noch nie waren die Erwartungen an die Digitalisierung von Personalabteilungen so groß wie heute. Denn Unternehmen müssen mit wechselnden Trends und Innovationen Schritt halten, um ihre Effektivität zu verbessern. In diesem Rahmen ist pandemiebedingt „Remote Work“ das meistdiskutierte Thema. Die wichtigste Frage bei der Implementierung neuer digitaler Lösungsansätze ist etwa: Wird den Mitarbeitern dadurch ihre Arbeit erleichtert? Mittlerweile wissen Unternehmen, dass die Leistung ihrer Mitarbeiter nicht davon abhängt, ob sie im Büro oder im Homeoffice arbeiten.
Einfluss von Remote Work auf das Recruiting
Im Jahr 2020 stieg die Zahl der Mitarbeiter, die aus der Ferne arbeiten, da die Unternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie auf Remote Work umstellen mussten. Das bedeutet aber auch, dass der Standort eines Unternehmens keine Barriere mehr dafür ist, wo Menschen arbeiten können. Dies sorgt nicht nur für mehr Work-Life-Balance bei den eigenen Mitarbeitern, sondern erweitert gleichzeitig den Talentpool auf dem Arbeitsmarkt erheblich. Das bedeutet in der Folge einen verschärften Wettbewerb um Arbeitsplätze und vor allem beliebte Arbeitgeber. Tatsächlich müssen sich Unternehmen an diese neue Arbeitsweise anpassen, sonst sind Arbeitssuchende vielleicht eher geneigt, andere Arbeitgeber in Betracht zu ziehen. Schnell suchen sie dann nach neuen Stellen, die sich flexibler an virtuelle Arbeitsformen anpassen.
Onboarding aus der Ferne
Wenn Arbeitgeber von einer zunehmenden Anzahl an Remote-Mitarbeitern ausgehen, ist auch ein dezentraler Onboarding-Prozess nötig, um neues Personal einzuarbeiten. Dazu kommt, dass neu eingestellte Mitarbeiter möglicherweise nie das Büro ihres Arbeitgebers betreten werden. Es gilt also sicherzustellen, dass neue Mitarbeiter rechtzeitig mit der benötigten Hardware und einem Remote-Zugriff auf die Unternehmensserver ausgestattet werden.
Dazu kann beispielsweise die Hardware einfach an die private Adresse des Neustarters geschickt werden – von der IT-Abteilung vorbereitet. Vor allem, wenn neue Remote-Mitarbeiter weit von einem Büro entfernt leben, ist der Kurierservice oft kostengünstiger als die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten. Insgesamt ist es für Remote Work unabdingbar, eine schnelle und zuverlässige Remote Konnektivität, alle benötigten Tool-Zugänge auch im Homeoffice zu haben. Das bestätigen acht von zehn befragten der Workforce Mindset Studie von Alight.
Verlust des menschlichen Kontakts
Ein Nachteil des Remote-Onboardings ist jedoch der Verlust des menschlichen Kontakts zu den Kollegen. Obwohl die Mitarbeiter per Videokonferenz mit neuen Gesichtern bekannt gemacht werden, sind laut der Studie „Die Ära der agilen HR“ von Alight viele der Meinung, dass sie sich gerne von Angesicht zu Angesicht getroffen hätten – wenn sie die Wahl gehabt hätten. Die Umsetzung einer Remote Work Policy ist hilfreich, wenn sie Mitarbeiter im Büro und Fernarbeiter gleichermaßen berücksichtigt und den Kontakt untereinander sicherstellt. Denn dies schafft ein adäquates Arbeitsumfeld und strukturiert den Alltag mit den richtigen Prozessen.
Vereinfachtes HR-Datenmanagement durch Automatisierung
Die zunehmende Automatisierung wird sich vor allem auf die Mitarbeiter auswirken, die traditionell Routineaufgaben erledigen. Auch neue Fähigkeiten müssen erlernt werden. Bis 2025 werden sich 40 Prozent der heutigen Qualifikationen verändert haben, wenn nicht sogar veraltet sein. Bei 60 Prozent der Arbeitsplätze wird mindestens ein Drittel der Tätigkeiten automatisiert erfolgen. Doch müssen Mitarbeiter und vor allem auch junge Talente auf die geforderten digitalen Fähigkeiten vorbereitet werden. Laut der Studie „Die Ära der agilen HR“ ist jeder vierte Befragte in Europa der Meinung, dass das Bildungssystems junge Menschen nur schlecht auf das digitale Zeitalter vorbereitet.
Neue Kommunikationsmaßnahmen erleichtern Remote Work
Telefon und E-Mail sind wohl immer noch die gängigsten Kommunikationsmittel in den meisten Unternehmen. Doch erfordert der Austausch von Mitarbeitern aus der Ferne neben einem gewissen Maß an Vertrauen zusätzliche digitale Kommunikationsmaßnahmen: beispielsweise Messenger-Dienste, Chatbot-Services für allgemeine Rückfragen oder den Einsatz von Videokonferenz- und Kollaborationstools. Diese Werkzeuge sind ein erster wichtiger Schritt, um virtuell zu kommunizieren und Aufgaben zu managen.
Jeder Dritte bestätigte Alight, dass während der Pandemie neue Tools für die Remote Kommunikation eingeführt worden sind. Meetings müssen so nicht mehr vor Ort abgehalten werden, sondern finden über virtuelle Konferenzräume statt. Die Videonutzung erhöht dabei den persönlichen Zusammenhalt untereinander. Dies ist vor allem für Remote-Starter sehr wichtig, um sich nicht zu isoliert vom Team zu fühlen. Für viele Arbeitnehmer war dieser Wechsel zu einer rein virtuellen Kommunikation aufgrund der Pandemie eine echte Herausforderung.
Neue Tools für virtuelles Mitarbeitermanagement
Unternehmen, die darüber hinaus über Cloud-basierte HCM-Systeme (Human Capital Management) verfügen, können ihre Mitarbeiter viel einfacher verwalten als andere. Mithilfe solcher Tools managt die Personalabteilung effektiv die Qualifikationen und die berufliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter. So behält sie den Überblick, welcher Mitarbeiter bereits welches Training durchlaufen hat oder noch benötigt. Sollten für neue Positionen bestimmte Qualifikationen erforderlich sein, lassen sich über HCM verschiedene Weiterbildungsmaßnahmen identifizieren. Denn die Human Resources eines Unternehmens sind mindestens genauso wichtig wie die Produktion. So können sich Unternehmen wettbewerbsfähig aufstellen und die Talente ihrer Mitarbeiter gezielt einsetzen.
Seit 2020 spielt zudem Continuous Performance Management (CPM) eine zunehmend größere Rolle. Unternehmen, die CPM-Tools vollständig nutzen, empfinden das Remote-Management weitaus einfacher als solche ohne. Denn durch CPM haben Mitarbeiter und Führungspersonen die Möglichkeit, regelmäßig einzuchecken, ihre Leistungsziele einzusehen und zu optimieren. Für Arbeitgeber ist dies in einer sich so schnell auf Remote Work umstellenden Arbeitsumgebung von unschätzbarem Wert. Auch die Unternehmen sind in ständigem Wandel und müssen ihre Ziele, Trainings- und Entwicklungsangebote agil anpassen. In den nächsten Jahren werden Unternehmen die Daten aus CPM-Systemen nutzen, um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter-Positionen viel schneller zu erkennen und darauf zeitnah mit Fortbildungen und Recruiting-Prozessen zu reagieren.
Die Zukunft der HR-Digitalisierung
Die 2020er Jahre werden eine dynamische Zeit bleiben, in der wir den weiteren Anstieg der Automatisierung erleben werden. Dies bedeutet eine schrittweise Veränderung in der Art und Weise, wie wir Mitarbeitererfahrungen aufbauen. Aber auch eine Abkehr von der traditionellen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung hin zu einer größeren individuellen Autonomie. COVID-19 könnte sich als Katalysator für diese Veränderungen erweisen, wenn nicht sogar als deren Ursache.
Remote-Work-Erfahrungen und virtuelle Management-Fähigkeiten werden in Zukunft stärker in Führungspositionen gefragt sein. Auch HR-Systeme spielen zunehmend eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Teamleitern in der praktischen Führung ihrer Mitarbeiter. Unternehmen, die Schwierigkeiten bei der virtuellen Verwaltung ihres Personals haben, werden sich zweifellos mit der Verbesserung und Ausweitung ihrer IT-Systeme und Software-Tools befassen müssen. Denn nur so können sie bei Themen wie Fernarbeit und Automatisierung Schritt halten. Selbst neue Technologien wie VR (Virtual Reality) kann in der Zukunft eine immer größere Rolle in der Geschäftskommunikation spielen.
Sudhir Christian Mitter, Country Lead Alight Germany. Sudhir Mitter hat über 20 Jahre Erfahrung in der Digitalisierung mit Fokus auf die IT- und Engineering-Industrie sowie im internationalen Business und Management.