Weiterbildung stagniert in vielen Unternehmen. Janet Haupka von DONE!Berlin erklärt, wie Sie unabhängig von Budgets eine Kultur des Lernens schaffen.
Aktuelle Umfragen, wie die der KfW zum Mittelstand, zeigen, dass Weiterbildungsmaßnahmen in Betrieben regelrecht eingebrochen sind. Sie wurden reduziert oder ganz gestrichen. Aber gerade jetzt wird qualifiziertes Personal gebraucht. Nicht nur die Digitalisierung beeinträchtigt Jobs, sondern auch die Pandemie verändert viele Branchen. Weiterentwicklung kann von keinem Unternehmen ignoriert werden – auch nicht von stark wachsenden Firmen oder Marktführern. Nur wer sich selbst jeden Tag herausfordert und den Status Quo in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen hält, bleibt an der Spitze.
Aber was machen Arbeitgeber und -nehmer, wenn finanzielle Ressourcen für Weiterbildung fehlen? Um Wissen aufzubauen, braucht es nicht unbedingt teure, individuelle Schulungen oder neue E-Learning-Programme. Bildung sollte vielmehr durch das Unternehmen fließen. Das ist eine viel kostengünstigere und effektivere Lösung.
Lernen fügt sich selbstverständlich in den Arbeitsalltag
Um Weiterentwicklung auf ein hohes und breites Niveau zu bringen, sollte Wissensmanagement zur Top-Priorität im Unternehmen erklärt werden. Täglicher Austausch über eine Wissensdatenbank, über physische Treffpunkte und Netzwerk-Formate sind die ersten Ansatzpunkte. Orte wie die Cafeteria sind ideal für Weiterbildung. Hier können Impulsvorträge den Wissenstransfer noch verstärken. Darüber hinaus bieten sich auch Formate wie „Job Shadowing“ an. Ein erfahrener Mitarbeiter lässt sich über die Schulter gucken, und der Kollege erhält so Wissen über seine Aufgaben. Durch Fragen und Feedback des „Schattens“ entwickelt sich ein natürlicher Ideenaustausch. So profitieren sogar beide Seiten vom Job Shadowing.
Zusätzlich ergeben sich organische Netzwerke und Lerneffekte durch generations- und fachübergreifende Mentoren-Programme. Auch Projektteams sorgen für Wissenstransfer, weil hier Mitarbeiter mit komplementären Fähigkeiten, fachlichen und sozialen Kompetenzen neu zusammenkommen. Sie lernen voneinander, um das Projektziel zu erreichen.
Unternehmenskultur der gegenseitigen Unterstützung und Selbstreflektion
Damit stetiges Lernen am Arbeitsplatz erfolgreich wird, braucht es eine passende Unternehmenskultur. Sonst teilen Mitarbeiter ihr Wissen nicht offen und proaktiv über Hierarchien und Kompetenzbereiche hinweg, haben kein Bewusstsein für neu Gelerntes und setzen dieses auch nicht gewinnbringend ein. Das Mindset der Mitarbeiter ist ausschlaggebend für eine funktionierende Wissenskultur. Sie sollte sogar soweit prägen, dass Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, auch ihre festen Meinungen, Glaubenssätze oder Altbewährtes zu hinterfragen. Dazu bedarf es einer Company Culture, die auf Neugier, Respekt, Offenheit, Toleranz, Wertschätzung, Vertrauen, Vielfalt und besonders auf gegenseitige Unterstützung und Selbstreflektion basiert.
Eine positive Feedback- und Fehlerkultur sind Hebel, um diese Werte zu trainieren. Produktives Feedback braucht eine respektvolle, offene und vertrauensvolle Atmosphäre. Auch Fehler gehören zum persönlichen Wachstumsprozess. Gerade durch sie lernt man am meisten. Beide Methoden schulen besonders die Selbstreflektion.
Eine weitere Herausforderung ist, dass einige Arbeitnehmer einfach ungern lernen. Um sie nicht zu verlieren, hilft Gamification. Spielerische Elemente, wie individuelle Lernpfade, Spaß- und Belohnungsfaktoren, sorgen für eine selbstgesteuerte, emotionale und dadurch motivierende Lernerfahrung. Es ist überaus wichtig, dass möglichst alle Mitarbeiter in das tägliche Lernen eingebunden sind. Eine Organisation kann nur dauerhaft an der Spitze bleiben, wenn sich der Großteil der Belegschaft ständig weiterentwickelt.
Neue Lebensabschnitte, Karriere- und Jobwechsel tragen zum Lernen bei
Lebenslanges Lernen gehört nicht nur in die Arbeitswelt, sondern auch ins Privatleben. Elternzeiten, Sabbaticals oder Ehrenämter können bewusst dazu genutzt werden, soziale, kulturelle, strukturelle oder organisatorische Kompetenzen weiterzuentwickeln. Unternehmen sollten diesen Phasen und Interessen offen gegenüber sein und für sie unkomplizierte Rahmenbedingungen schaffen.
Auch wird eine Karriere im Leben zukünftig seltener. Das liegt besonders daran, dass sich das Rentenalter nach hinten schiebt und traditionelle Berufsbilder zunehmend verschwinden. Eine berufliche Neuausrichtung mitten im Leben wird dadurch wahrscheinlicher. Gerade Mitarbeiter mit einem späten Karrierewechsel bereichern Unternehmen, denn sie bieten eine hohe Lernbereitschaft, Eigenmotivation, Offenheit, langjährige Erfahrungen und soziale Kompetenzen.
Auch bei Jophoppern ist ein Perspektivwechsel nötig: Jobnomaden gelten als Mitarbeiter ohne Durchhaltevermögen. Doch wenn sie glaubwürdig erklären können, was sie bei jedem Arbeitgeber gelernt haben, kann das viele fachliche Pluspunkte bringen. Darüber hinaus könnte ein Jobhopper der bessere „Cultural Fit“ zur Wissenskultur sein.
Erfolg des lebenslangen Lernens hängt vom richtigen Mindset ab
Lebenslanges Lernen ist ein nicht endender Prozess. Nur wenn täglicher Wissenstransfer, permanent neue Erfahrungen und Erkenntnisse den größten Teil des Berufs- und Privatlebens ausmachen, kann lebenslanges Lernen realistisch umgesetzt werden. Dafür brauchen Firmen nicht unbedingt große Budgets, sondern lernfreundliche Rahmenbedingungen. Der Erfolg des lebenslangen Lernens hängt jedoch vom richtigen Mindset ab. Jeder muss akzeptieren, dass Weiterbildung zum Alltag gehört und die klassische Karriereleiter ausstirbt. Sie wird zum Klettergerüst, das Erfahrungen und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenführt. Mit einer funktionierenden Wissenskultur bleiben Arbeitgeber wettbewerbsfähig und Arbeitnehmer attraktiv und motiviert.
Janet Haupka ist HR-Expertin und eine von zwei Geschäftsführerinnen bei DONE!Berlin - einer Personalberatung für Startups und Mittelständler. Sie baut in Unternehmen Teams und Prozesse auf und berät das Management. Foto: ©Cherie Birkner