Unternehmen müssen ihre Büroflächen für sich neu erfinden. Wie sie das am besten tun, erklärt Lawrence Mohiuddine von Unispace.
Für viele Bewerber auf der Jobsuche sind fehlende Homeoffice-Optionen längst zu einem No-Go geworden. Die Coronakrise hat das noch einmal zusätzlich verstärkt. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen dauerhaft auf flexiblere Arbeitsmodelle setzen, um sich im War for Talent von der Konkurrenz abzuheben. Was sie dabei aber nicht vergessen dürfen: Nur weil die New Work-Thematik im Kontext der anhaltenden Pandemie eine völlig neue Relevanz erfahren hat, bedeutet das noch lange nicht, dass das klassische Büro, wie wir es kennen, in einer Post-Corona-Welt ausgedient hat. Lawrence Mohiuddine, Managing Director EMEA bei Unispace, erklärt, weshalb das Büro aus HR-Sicht nach wie vor eine zentrale Rolle spielt und wie das perfekte Büro der Zukunft wirklich aussehen sollte.
Das Jahr der großen Veränderungen
Die Coronakrise hat vieles beschleunigt, was vor einem halben Jahr noch für große Teile der Arbeitswelt undenkbar war. Und sie hat auch zur Folge, dass es in zahlreichen Branchen zu weitreichenden Umwälzungen kommt. Während sich in der Medizin oder der IT die Suche nach geeigneten Fachkräften weiter zuspitzt, können an anderer Stelle immer mehr Mitarbeiter dauerhaft durch moderne Technologien ersetzt werden. Die Digitalisierung, die normalerweise noch einige Jahre an kontinuierlicher Entwicklung und Umstrukturierung bedurft hätte, ist somit plötzlich zur Wirklichkeit geworden – schnell und das über alle Branchen hinweg.
Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass aufgrund der anhaltenden Coronakrise noch immer viele Beschränkungen gelten. Das treibt sowohl Künstler und Veranstalter, als auch Hoteliers und Gastronomie gleichermaßen an den Rand ihrer Existenz. Was daraus resultiert, ist eine kurz-, aber teilweise auch langfristige Abwanderung in gefragtere Branchen. In Pflege und Medizin werden motivierte Mitarbeiter schließlich händeringend gesucht. Außerdem ist derzeit noch nicht absehbar, wie lange die Krise noch andauern wird. Und am Ende möchte niemand der letzte seiner Sorte sein, der auf weiter Flur übrig bleibt und einfach keinen Job mehr findet. Kurz gesagt: Im Kampf um die besten Talente wird in absehbarer Zukunft keine Ruhe einkehren – ganz im Gegenteil.
Homeoffice wird Pflichtprogramm
Dass auch das klassische, stationäre Büro bei all dem nicht verschont bleibt, ist klar. Vor nur wenigen Monaten galt es noch als soziales und produktives Zentrum, in dem die Teams täglich aufeinandertrafen, sich austauschen konnten und gemeinsam oder alleine ihre Arbeit erbrachten. Doch dann kam die Krise. Sie hat die globale Wirtschaft vollkommen unvorbereitet getroffen und die gesamte Arbeitswelt, wie wir sie kannten, von heute auf morgen völlig auf den Kopf gestellt. Während einige bereits frühzeitig in digitale Kollaborationstools und Cloud-Lösungen investiert hatten, wurden im Kontext der Kontakt- und Abstandsregelungen sogar die traditionellsten Branchen zum plötzlichen Umdenken gezwungen. Die Coronakrise hat damit quasi über Nacht bewirkt, worum Mitarbeiter in vielen Betrieben jahrelang erfolglos kämpften: Homeoffice für alle!
Der persönliche Kontakt fehlt
Wer weiterhin geschäftsfähig bleiben wollte, für den war eine dezentrale Organisation der Teams vollkommen unerwartet von der Kür zum Pflichtprogramm geworden. Womit allerdings nur die Wenigsten gerechnet haben: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK gibt die Mehrheit der Angestellten an, im Homeoffice sogar produktiver arbeiten zu können.
Wer daraus die Schlussfolgerung zieht, das stationäre Büro hätte in unserer neuen Realität schlichtweg ausgedient und man könne von nun an genau wie der Social Media-Riese Twitter einfach im Homeoffice bleiben, hat allerdings zu kurz gedacht. Was hierbei zu kurz kommt, ist nämlich vor allem die soziale Komponente – und die sollte man nicht unterschätzen. Dreiviertel der befragten Mitarbeiter gaben im Rahmen der Forsa-Umfrage an, dass ihnen der persönliche Kontakt zu ihren Kollegen im Homeoffice am meisten fehle. Knapp die Hälfte sagte außerdem, dass ihre Arbeit durch den fehlenden Austausch mit Teamkollegen beeinträchtigt sei und fast genauso vielen fehle zuhause die klare Trennung zwischen Privatleben und Beruf.
Koexistenz von Büro und Homeoffice ermöglichen
Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich: Um den Bedürfnissen aller Mitarbeiter bestmöglich entgegen zu kommen, ist es aus HR-Sicht am sinnvollsten, ein Hybridmodell zu etablieren, das die Koexistenz von Büro und Homeoffice dauerhaft ermöglicht. Denn während sich die Arbeit von zuhause aus als optimal für jene Aufgaben herausgestellt hat, die ein hohes Maß an Konzentration bedürfen, sind Unternehmen nun gefragt, die Fläche, die Ihnen zur Verfügung steht, neu für sich zu erfinden. Einfach nur kleinere Büros anzumieten, ist keine Lösung, denn so lassen sich die Bedürfnisse der Mitarbeiter nicht miteinander vereinen. Viel sinnvoller ist es stattdessen, den freien Raum effizienter zu gestalten – und das darf gerne auch in Kooperation mit den Mitarbeitern geschehen, denn schließlich sind sie diejenigen, die letztendlich von dem neuen Hybridmodell profitieren sollen.
Weg von Einzeltischen, hin zu freier Kollaborationsfläche
Soziale Kontakte, gemeinsames Lernen und das Teilen einer gemeinsamen Unternehmenskultur ist nichts, das sich durch die Einführung digitaler Tools so einfach kompensieren lässt. Unternehmen, die ihr stationäres Büro zukunftsfähig umgestalten wollen, sollten deshalb ihr neues altes Büro um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter herum entwickeln. Es wird immer eine gewisse Anzahl jener geben, die vor Ort produktiver sein können – vielleicht weil sie sich zuhause selbst nicht motivieren können oder sie dort nicht über einen ruhigen Arbeitsplatz verfügen. Der restliche Platz sollte sich jedoch weg von den Einzeltischen und mehr hin zu freier Kollaborationsfläche entwickeln, auf der man miteinander ins Gespräch kommen, Ideen entwickeln und voneinander lernen kann. Vor allem für neue Mitarbeiter und Auszubildende ist diese Möglichkeit unabdingbar. Sie sind auf das Wissen ihrer Kollegen geradezu angewiesen, um ebenfalls ein gewinnbringender Teil des Unternehmens werden zu können.
Letztendlich ist die Umsetzung dieses neuen Büromodells, das Heim- und Vor-Ort-Arbeit dauerhaft und flexibel miteinander kombiniert, nicht nur ein notwendiger Schritt, um den aus der Krise resultierenden Gesetzmäßigkeiten gerecht zu werden. Im Vergleich zur Konkurrenz können sich Unternehmen dadurch sogar einen entscheidenden Vorteil sichern. Im War for Talent überzeugt am Ende der Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern das größtmögliche Maß an Flexibilität bietet. Und auch, um die Mitarbeiter dauerhaft halten zu können, ist das ein wesentlicher Aspekt. Das Wissen und die Fähigkeiten, die jeder Einzelne in sich trägt, sind heutzutage das größte wirtschaftliche Kapital.
Die Möglichkeit, im Büro miteinander ins Gespräch zu kommen, ist dabei essentiell. Nur so können HRler ein unmittelbares Gefühl dafür bekommen, wie die Stimmung innerhalb der Teams ist, wo ungeahnte Talente schlummern oder wer eventuell zusätzliche Hilfestellung benötigt. All das miteinander in Einklang zu bringen, ist das Handwerkszeug, auf das es ankommt, um das Büro der Zukunft dauerhaft zu etablieren.
Lawrence Mohiuddine, Managing Director EMEA bei Unispace.Von London aus leitet Lawrence Mohiuddine die Regionen Amerika und EMEA, darunter die wichtigsten Standorte Amsterdam, Paris, Zürich, Boston, New York und Seattle. Er bringt einen praxisnahen, beratenden Ansatz für Kundenengagements mit. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung leitet er die strategische Vision für Amerika und EMEA und orchestriert nationale und lokale Teams bei der Umsetzung komplexer Büroprojekte.