Schlagkräftige Teams sind heute besonders wichtig. Wie Unternehmen das innovative Potenzial ihrer Mitarbeiter entfalten können, verrät Anastasia Hermann.
Ein allwissender Chef, der seine Schäfchen anleitet – so oder so ähnlich hat Arbeit in Deutschland jahrzehntelang funktioniert. Doch die Digitalisierung verändert die Art, wie Menschen in Unternehmen zusammenarbeiten. Aus gutem Grund: Starre und mehrgliedrige Hierarchien bremsen den Erfolg eines Unternehmens aus.
Organisationen, die in den neuen Marktdynamiken bestehen wollen, brauchen kurze Entscheidungswege und schlagkräftige Teams, deren Mitglieder Ideen entwickeln, Verantwortung übernehmen und flexibel sind. Wie wichtig das vor allem auch in unsicheren Zeiten ist, hat die Corona-Krise eindrucksvoll gezeigt. Für Führungskräfte stellt sich die Frage: Wie gelingt es am besten, das innovative Potenzial ihrer Mitarbeiter zu entfalten?
Das StepStone Research Team hat im vergangenen Jahr rund 14.000 Fach- und Führungskräfte in Deutschland zum Thema Teamarbeit befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem fünf Voraussetzungen stimmen müssen, damit aus einer Gruppe von Mitarbeitern innovationsfreudige Teams werden.
1. Es herrscht eine Wohlfühlatmosphäre im Team.
Damit ist nicht der Bürohund oder ein bequemes Sofa gemeint, sondern ein Aspekt, den die Studienautoren „psychologische Sicherheit“ nennen und der sich auf das Klima im Team bezieht. Herrscht Vertrauen? Kann konstruktive Kritik geübt werden? Sind die Teammitglieder neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen? Und: Können alle offen über Fehler sprechen? Vier von zehn Befragten beantworten diese Fragen in unserer Teamstudie mit Nein. Das ist nicht nur schlecht für die Stimmung der betroffenen Teams, sondern wirkt sich laut Studie auch ganz konkret auf deren Teamleistung aus. Im Gegensatz dazu hält sich die große Mehrheit der Arbeitnehmer, die ihr Team als sicheres Umfeld erleben, für besonders leistungsstark.
2. Das Team ist Teil des Bewerbungsprozesses.
Die Weichen für erfolgreiche Teamarbeit werden früh gestellt – bereits im Bewerbungsprozess lässt sich ausloten, ob die Chemie zwischen Bewerber und Team stimmt. Das funktioniert auch digital. Im Bestfall können Bewerber schon aus der Stellenanzeige herauslesen, ob das Unternehmen zu ihnen passt. Spätestens im Vorstellungsgespräch sollte der Mitarbeiter in spe dann nicht nur den potenziellen Vorgesetzten und einen Personaler zu Gesicht bekommen, sondern auch das Team. Das zumindest wünschen sich 63 Prozent der befragten Fachkräfte. Die meisten Unternehmen bieten diese Möglichkeit jedoch leider nicht.
3. Alle Teamkollegen können sich aufeinander verlassen.
Pünktlichkeit und Sorgfalt – diese oft als typisch deutsch bezeichneten Tugenden haben auch in der New Work-Ära nichts an Aktualität verloren. Möglicherweise werden sie in Zeiten von Homeoffice und agilen Arbeitsweisen sogar wichtiger denn je. Laut unserer Studie sind für Fachkräfte klassische Kernkompetenzen wie Kommunikationsstärke, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein jedenfalls besonders wichtig, um im Team erfolgreich zusammenzuarbeiten. Sie wurden von den Befragten deutlich höher bewertet als Aspekte wie Kreativität, Risikobereitschaft und visionäres Denken.
4. Allen Mitarbeitern ist klar, welche Ziele ihr Team erreichen soll.
26 Prozent der befragten Fachkräfte glauben, dass in ihrem Team Unklarheit bezüglich der gemeinsamen Ziele herrscht. Nur eine Minderheit der Teams (43 Prozent) misst die erzielten Ergebnisse anhand von festgelegten Kennzahlen. Das schwächt die Teamleistung: So zeigen die Studienergebnisse, dass Menschen, die in Teams mit klar festgesteckten Zielen arbeiten, innovativer sind. Das zeigt: Auch in der neuen Arbeitswelt brauchen Teams unbedingt eindeutige Zielvorgaben. Innerhalb dieses Rahmens sollten sie dann aber die Freiheit haben, die Ziele auf ihre Art und Weise anzugehen. Hierfür braucht es eine vertrauensvolle und offene Teamkultur, die neue Wege und Ideen belohnt – siehe Punkt 1.
5. Ihr Teamleiter ist empathisch.
Führungskräfte haben eine ganz entscheidende Wirkung auf die Dynamik eines Teams. Erfolgreiche Führungskräfte verstehen sich als Richtungsweiser und Beziehungsmanager. Unsere Studie zeigt allerdings, dass Teamleiter sich viel besser einschätzen als andersherum Fachkräfte ihre jeweiligen Vorgesetzten: Während 97 Prozent der befragten Führungskräfte der Meinung sind, für ihr Team jederzeit ansprechbar zu sein, teilen diese Ansicht nur 65 Prozent der Mitarbeiter. Auch für andere Führungsaufgaben stellen Arbeitnehmer ihren Chefs teilweise ein schlechtes Zeugnis aus: So vermissen rund vier von zehn Fachkräften klare Zielvorgaben, Wertschätzung sowie die Weitergabe wichtiger Informationen ans Team.
Weitere Studienergebnisse sind hier zu finden.
Dr. Anastasia Hermann ist Expertin für Trends, Entwicklungen und Transformationsansätze im digitalen Recruiting und HR-Management. Verantwortlich für die Bereiche Thought Leadership und Publikationen war sie als Head of Research seit 2014 bis Oktober 2020 bei der Jobplattform StepStone tätig. Anastasia Hermann beschäftigt sich täglich mit den Erwartungshaltungen von Fach- und Führungskräften sowie der Analyse der heutigen HR-Arbeit und des Arbeitsmarktes. Seit Oktober 2020 ist Anastasia Hermann Professorin für Personalmanagement an der IUBH Internationale Hochschule.