Was bleibt nach der Krise vom Hype um die Personalabteilungen? Stefan Mauersberger von Kincentric schildert, welchen Weg HR jetzt gehen kann.
In den vergangenen 14 Monaten sind Chief Human Resources Officers (CHROs) und ihre Teams nicht nur einmal in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt: Durch die Bewerkstelligung der beispiellosen, von Volatilität getriebenen Auswirkungen der Pandemie und dem zeitgleich immensen Erwartungsdruck haben sie eindrücklich bewiesen, dass – mit oder ohne Krise – auch zukünftig kein Weg um sie herum führen wird. Doch was bleibt vom großen Hype um die Personalabteilungen dieser Welt, wenn die Krise einmal überwunden ist? Ob HR-Teams ihr neues Standing als unabkömmliche Business-Strategen auch in einer Post-Corona-Ära halten können, wird nicht zuletzt von der Neudefinition bisheriger HR-Profile abhängen.
Aufsichtsräte, Vorstände, CEOs – ging es in den vergangenen Monaten darum, die richtigen Entscheidungen schnell und effizient zu treffen, führte an der Personalabteilung als zentrales Krisenorgan kein Weg herum. Denn neben der Abwicklung zentraler Kernaufgaben von HR galt es vor allem, schnell und effizient auf den enorm gestiegenen Erwartungsdruck zu reagieren und als krisenresistenter Entscheider notwendige Strategien zur Sicherstellung der Geschäftstüchtigkeit bei zeitgleicher Berücksichtigung der erhöhten Gesundheitsvorkehrungen zu gewährleisten.
Neu gewonnenen Einfluss festigen
Eine Entwicklung, die es in eine Zeit nach der Pandemie zu transformieren gilt – eine außerordentliche Performance alleine wird dafür jedoch nicht ausreichen. Wollen sich CHROs und ihre Teams auch in einer Post-Corona-Ära als unverzichtbare Sparring-Partner für zukunftsträchtige Themen wie Nachhaltigkeit und Angelpunkt für eine mitarbeiterfokussierte Kulturtransformation behaupten, sind sie gut daran beraten, ihren neu gewonnen Einfluss zu festigen und sich als unverzichtbarer Partner für C-Levels zu positionieren.
Sicherlich keine einfache Aufgabe – zahlreiche interne sowie externe Faktoren werden es Personalabteilungen in den kommenden Monaten erschweren, ihre Business-Partnerrolle hin zu proaktiven, bereichsübergreifend agierenden Talent- und Geschäftsstrategen zu entwickeln beziehungsweise die bereits zu Teilen etablierte Rolle weiter zu halten. Unternehmen müssen daher einmal mehr ihren HR-Abteilungen die erforderlichen Ressourcen und Werkzeuge an die Hand geben, um die richtigen Talente zu rekrutieren oder durch Förderungs- und Ausbildungsprogramme in den internen Nachwuchs zu investieren.
Unternehmen sollten HR-Teams einer Neuausrichtung unterziehen
Mit dem dauerhaften Übergang zu neuen, hybriden Arbeitsmodellen müssen sich Unternehmen nicht mehr nur mit der Frage nach einer grundlegenden strukturellen und organisatorischen Transformation auseinandersetzen. Die Fähigkeit, mit einem erfahrenen Team auch unter Zeitdruck flexibel auf unterschiedlichste Szenarien zu reagieren und Entscheidungen dort zu beschleunigen, wo sie die größte Wirkungskraft haben, wird in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Damit das jedoch gelingt, müssen Unternehmen ihre HR-Teams einer gänzlichen Neuausrichtung unterziehen.
Fünf neue Persönlichkeitsprofile
In der Krise bewährt haben sich fünf neue Persönlichkeitsprofile, die in Zukunft möglichst im gesamten HR-Team vertreten sein sollten:
- Talent Accelerator: Vom neuen HR-Analysten bis hin zum erfahrenen HR-Manager – Mitarbeiter benötigen den notwendigen Biss und interdisziplinäre Kommunikationsfähigkeiten, um Faktoren wie Leistung und Talent bereichsübergreifend zu steigern. Ein guter Talent Accelerator versteht, dass erst durch die Förderung von Talenten wirtschaftlicher Erfolg möglich ist.
- Connector: Personalabteilungen müssen als zentrales und bereichsübergreifendes Bindeglied im Unternehmen verstanden und etabliert werden. Die Vernetzung aller Bereiche in der Verfolgung einer gemeinsamen Vision verbessert nicht nur die Mitarbeitererfahrungen, sondern untermauert die wirtschaftliche Innovation und sowie den Erfolg des Unternehmens.
- Storyteller: HR-Abteilungen müssen in der Lage sein, aussagekräftige Schlussfolgerungen aus den Personaldaten ihrer Organisation zu ziehen. Dies erfordert kreative und überzeugende Analyse- und Storytelling-Kompetenzen. Der Aufbau von persönlichen, teamübergreifenden Beziehungen wirkt sinnstiftend, während die Verknüpfung von datengetriebenen Ergebnissen mit emotionalen Verbindungen die Authentizität der Arbeit steigert. Letzteres bildet den Grundstein für eine krisenresistente Kultur.
- Digital Enabler: „Digital“ bedeutet mehr als ein reines Technologie- oder Effizienzspiel. Um die digitale Transformation erfolgreich voranzutreiben, müssen Unternehmen im ersten Schritt verstehen, welchen Einfluss die zugrundeliegende Strategie auf die einzelnen Mitarbeiter nimmt. Kultur, Mentalitätswechsel sowie neue Fähigkeiten und Arbeitsweisen sind allesamt Teilaspekte der digitalen Transformation. Zumindest muss die Personalabteilung sicherstellen, dass die notwendigen Talentstrategien vorhanden sind und diese auch die Umsetzung der digitalen Unternehmenstransformation dahingehend unterstützen.
- Culture Shaper: Viele Unternehmen glauben, dass die Verantwortung für die Gestaltung und Förderung von Unternehmenskultur allein beim CHRO liegt. Es darf jedoch keine Ausrede mehr dafür geben, die interne Kultur nicht zu verstehen, nicht zu definieren oder die richtigen Hebel zur Förderung der Unternehmenskultur nicht zu aktivieren. Jeder Mitarbeiter des HR-Teams muss zwangsweise ein differenziertes Bewusstsein für die Beschaffenheit der Unternehmenskultur besitzen, um diese auch langfristig transformieren zu können.
Stärker in den strategischen Bereich hineinwachsen
Die Reaktion auf die Herausforderungen und Prioritäten, die 2020 in Vorschein getreten sind, haben die Rolle der Personalabteilungen nachhaltig positiv geprägt. CHROs konnten sich als führungsrelevante Instanz innerhalb des Unternehmens positionieren – eine Entwicklung, von der HR-Abteilungen auch nach Ablauf der Pandemie nicht mehr zurückgehen dürfen.
Umso wichtiger ist es deshalb auch, bisherige Strukturen grundlegend zu überdenken und eine Neudefinierung HR-relevanter Profile anzustreben. Dafür müssen sowohl CHROs als auch der gesamte Personalapparat stärker in den strategischen Bereich hineinwachsen. Unternehmen müssen bereit sein und notwendige Investitionen tätigen, um die Weiterentwicklung der Personalabteilung zu einem wichtigen Strategen für die Bereiche Business, Talent sowie der organisatorischen Effektivität zu ermöglichen.
Dr. Stefan Mauersberger verantwortet in seiner Funktion als Partner und Regional Leader für die Regionen Zentral-, Süd- und Osteuropa unter anderem die Deutschland-Geschäfte der international agierenden Beratung Kincentric, Tochterunternehmen von Spencer Stuart. Mit langjähriger Branchenexpertise berät Dr. Mauersberger internationale Unternehmen bei ihren Transformations- und Wachstumsprozessen. Dabei konzentriert er sich insbesondere darauf, Unternehmen mittels datengestützter Methoden bei der Transformation ihrer Kultur sowie bei Fragen in den Bereichen Leadership und Change Management zu unterstützen. Foto: Quirin Leppert