Lange Zeit galt in der Gesundheits- und Sicherheitsbranche: Bewährtes bewahren, nichts Neues wagen. Das ändert sich. Markus Becker, CEO von Quentic, stellt fünf digitale Neuerungen vor, die den Arbeitsschutz effektiver machen werden.
Virtuelle Technologien zu Schulungszwecken und der Einsatz von Software für das Sicherheits- und Umweltmanagement sind erfolgversprechende digitale Trends, von denen der Arbeitsschutz der Zukunft profitieren wird. Doch auch andere digitale Technologien werden den Bereich Arbeitssicherheit prägen.
Für eine lange Zeit war die Gesundheits- und Sicherheitsbranche nicht gerade für die Implementierung digitaler Lösungen bekannt. Bewährtes bewahren, nichts Neues wagen – war hier ein weit verbreiteter Ansatz. Die letzten zwei Jahre und die Covid-19-Pandemie haben hier jedoch ein Umdenken bewirkt. Das wird in einer Umfrage von Quentic ersichtlich, die zeigt, dass 34 Prozent der Health, Safety und Environment (HSE) Fachkräfte nicht nur das Potential der Digitalisierung im Arbeitsbereich erkannt haben, sondern auch eine weitere Ausbreitung digitaler Technologien im Arbeitsschutz fordern.
Die fünf folgenden digitalen Neuerungen werden nicht nur Trends bleiben, sondern auch zukünftig dafür sorgen, dass Arbeitnehmende in einem sicheren und gesunden Arbeitsumfeld agieren können.
1. Remote Work als Arbeitskonzept der Zukunft
In den letzten zwei Jahren hat sich mit Remote Work ein Trend entwickelt, der in vielen Unternehmen nicht mehr wegzudenken ist. Arbeitnehmende, die einen Großteil ihrer Arbeit an Computerarbeitsplätzen vollbringen, können nun zeit- und ortsunabhängig ihren Arbeitsalltag gestalten. Die neue Flexibilität bringt viele Vorteile mit sich. Arbeitnehmende müssen nun beispielsweise ihren Job nicht mehr kündigen, wenn der Partner oder die Partnerin in eine andere Stadt ziehen möchte. Ob Early Bird oder Nachteule – jeder kann dann arbeiten, wann es zum Tagesrhythmus passt. Das kommt gut an.
Bereits im Sommer 2020 hat eine Umfrage der IHK Berlin ergeben, dass 47,4 Prozent der Unternehmen eine hybride Lösung des Arbeitens anstreben, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist. Für die Arbeitssicherheit gilt hier: Ob fester Heimarbeitsplatz (Telearbeit) oder Homeoffice (mobile Arbeit), die Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetze sind ebenso gültig wie im Büro. Gefährdungspotenziale wie mangelnde ergonomische Ausstattung, elektrische Gefährdungsfaktoren oder auch psychische Belastungen müssen erkannt und minimiert werden. So kann der Arbeitsschutz den Digitalisierungsschub für sich nutzen.
2. Virtual-Reality-Technologien im Sicherheitstraining
Wünschen wir es uns nicht alle manchmal, in andere Welten abzutauchen? Was mithilfe von Virtual Reality (VR)-Brillen und Controllern bereits seit mehreren Jahren in VR-Spielhallen möglich ist, nimmt nun auch Einzug in die Arbeitswelt. In fast jedem Unternehmen kann es durch menschliche Fehler zu Unfällen kommen.
Viele dieser Gefahrensituationen können vorab nicht richtig geübt werden. Bei Auftreten eines Notfalls wissen die Arbeitnehmenden dann häufig nicht, wie sie sich richtig verhalten sollen. Oft reicht es nämlich nicht, Schutzmaßnahmen per Frontalunterricht zu erlernen. In einer Gefahrensituation muss jede Person routiniert wissen, was zu tun ist. Genau das kann man mit VR üben. Sicherheitstraining mit Spaß-Faktor sozusagen.
3. Wearables, die schützen
Wenn man bedenkt, wie groß Computer in ihrer Anfangszeit waren, ist es doch sehr erstaunlich, dass hochleistungsfähige Computertechnologien nun im Miniformat in Uhren, Textilien oder Brillen integriert werden können. Diese können auch die Effizienz im Arbeitsschutz erhöhen, denn mit ihrer Hilfe kann der Gesundheitszustand der Arbeiterinnen und Arbeiter nachverfolgt werden. So können die Wearables beispielsweise Alarm geben, wenn eine Person sich überarbeitet oder verunglückt ist. Das trägt zum Gesundheitsmanagement eines Unternehmens bei.
Wichtig ist natürlich, dass solche Tools datenschutzkonform angewendet werden und niemals zu Kontrollzwecken ausgenutzt werden, sodass sich Angestellte überwacht fühlen. Sie sollen die Arbeitnehmenden dabei unterstützen, ihre Gesundheit im Blick zu haben oder im Falle eines Unfalls durch eine integrierte Telefonfunktion schnell Hilfe anzufordern.
4. Drohnen für unzugängliche Orte
Drohnen haben beim Filmdreh und in der Fotografie schon heute Hubschraubern größtenteils den Rang abgelaufen. Doch auch im Arbeitsschutz bieten die unbemannten Luftfahrzeuge ein riesiges Potential, das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgeschöpft ist. Die Drohnen können beispielsweise einen besseren Überblick über eine Baustelle geben und so frühzeitig aufzeigen, wenn eine Gefahrenstelle auftritt, die ansonsten wahrscheinlich erst erkannt werden würde, wenn sich jemand verletzt hat. Auch beim Bau von Windrädern oder Stromleitungen können Drohnen unterstützen, indem sie Gefahrenstellen an den schwer zugänglichen Anlagen ausfindig machen.
5. HSEQ-Software für eine bessere Übersicht
Klassischer Arbeitsschutz ist vor allem mit einem verbunden – viel Bürokratie. Das ist ein Problem, denn bürokratische Hürden nehmen HSE-Managern die Zeit, sich um die wichtigen Punkte im Unternehmen zu kümmern – die Interaktion mit den Kolleginnen und Kollegen. In jedem erfolgreichen Unternehmen sollte es um die Menschen gehen, die das Unternehmensumfeld prägen und bereichern. Health, Safety, Environment und Quality (HSEQ)-Software vereinfacht notwendige, traditionelle Arbeitsprozesse und schafft Transparenz bezüglich der Aufgaben im Arbeitsschutz.
Dafür stehen – je nach Anbieter – verschiedene Tools bereit, von denen sich die Unternehmen die passenden Module zu einer individuellen Softwarelösung zusammenstellen können. Von Modulen zum effizienten Umweltmanagement, über Incidentmanagement zum Berichten von Unfällen oder Near-Misses bis zur Verwaltung und Lagerung von Gefahrstoffen – hier gibt es (fast) keine Grenzen.
Fazit: Digitale Technologien im Arbeitsschutz müssen integrativ und stressmindernd sein
Der Arbeitsschutz der Zukunft muss möglichst wenig Stress bereiten und Arbeitnehmende dazu motivieren, sich proaktiv für ein sicheres Arbeitsumfeld einzusetzen. Das Ziel einer jeden Führungskraft muss es sein, gemeinsam mit allen Mitarbeitenden ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich jeder sicher und wohl fühlt. Die neuen Technologien können den Arbeitsschutz effektiver machen und Gefahren vermindern. Unternehmen sollten daher diese frühzeitig im Blick haben und für ihre Zwecke nutzen.
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Markus Becker ist Gründer und CEO von Quentic. Die gleichnamige Software-Plattform und App unterstützen mehr als 900 Unternehmen weltweit dabei, ihre Verantwortungsbereiche Arbeitsschutz sowie Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement zu stärken. Gegründet hat Becker das Unternehmen mit seinen Studienkollegen Sebastian Mönnich und Hardy Menzel im Jahr 2007. Aus einem Umweltmanagement IT-Projekt im Studium entwickelten sie das Unternehmen gemeinsam zu einem der führenden Lösungsanbieter von Software as a Service (SaaS) für HSEQ- und ESG-Management.