Um die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden langfristig zu fördern, braucht es Aufklärung, eine Hands-On-Mentalität und einen Mix an nachhaltigen Maßnahmen.
Die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden wird für Unternehmen und Organisationen immer mehr zum Thema. Laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse schätzen 81,3 Prozent der befragten Unternehmen die wirtschaftliche Rolle des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) als wichtiger denn je, beziehungsweise gleichbleibend wichtig ein. Gleichzeitig existiert bei vielen, gerade im Umgang mit mentaler Gesundheit, akuter Nachholbedarf.
Nur wenige Gesundheitsverantwortliche kamen im Jahr 2020 ihrer Pflicht zur psychischen Gefährdungsbeurteilung nach und noch weniger planten eine aktive Umsetzung von BGM-Maßnahmen.
Neue Belastungsfaktoren wie Homeoffice, Lockdowns und digitale Müdigkeit führen vermehrt zu Stress, Burnout und Depression. Darunter leidet die Leistungsfähigkeit, es kommt zu mehr Krankheitstagen und steigender Unzufriedenheit im Job. Wer als Arbeitgebender lange Fehlzeiten reduzieren und seine Mitarbeitenden emotional an das Unternehmen binden will, muss Mental-Health-Maßnahmen in den Arbeitsalltag integrieren.
Zugegeben – der „Trend“ mentale Gesundheit boomt seit Corona und bildete innerhalb der letzten zwei Jahre ein regelrechtes Sammelsurium an Maßnahmen. Jedoch ist bei der Implementierung solcher insbesondere die Herangehensweise entscheidend für den langfristigen Erfolg.
1. Tipp: Ausführlich aufklären und Bewusstsein schaffen
Bevor aktive Maßnahmen zur Verbesserung der mentalen Gesundheit durchgeführt werden können, sollte zunächst ein Impuls zur Sensibilisierung für das Themenfeld gegeben werden. Dabei muss deutlich werden, dass die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden, Führungskräften und Teams eine wichtige Rolle spielt. Ebenso, dass psychische Erkrankungen häufig auftreten und betroffene Menschen keinesfalls schwach, sondern in der Regel einfach nur belastet sind – ein Zustand, den wir alle mehr oder weniger kennen.
„Das Mentale sollte nicht nur als der kleine Stiefbruder angesehen werden, der nicht richtig gesehen wird, sondern als genauso wichtig für die Gesundheit angenommen werden, wie gesunde Ernährung und Bewegung“, erklärt die BGM-Psychologin Leonie Asche von move UP.
Zwar wird diese Thematik bei vielen Unternehmen immer selbstverständlicher, nichtsdestotrotz kann es auch erfahrenen Unternehmen helfen, sich vor Beginn der aktiven Maßnahmen mit den Grundlagen der menschlichen Psyche auseinanderzusetzen. Entscheidend ist, dass Arbeitnehmende den Bedarf anerkennen und dadurch die Maßnahmen zur Stärkung ihrer eigenen mentalen Gesundheit ernst- und auch annehmen.
2. Tipp: Ganzheitlichen Ansatz wählen und Individualität anerkennen
Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ist einzigartig – deshalb ist es ratsam, individuelle Entwicklung zu ermöglichen, anstatt pauschale und starre Wege anzubieten. Eine ganzheitliche und individuelle Perspektive auf das Handlungsfeld mentale Gesundheit einzunehmen bedeutet, zentrale Angebote zu schaffen, die den vielseitigen Ansprüchen von Führungskräften und Mitarbeitenden gerecht werden.
Die Beratungsform des Coachings ist dafür eine sehr passende und holistische Intervention, da sie nachweisbare Effekte auf das Wohlbefinden, die Selbstreflexion sowie die Zielerreichung von Coachingteilnehmenden hat. Unternehmen wünschen sich ganzheitlich Lösungen – am besten alles aus einer Hand, beziehungsweise einer Plattform. Um dem gerecht zu werden, existieren heutzutage Coachingplattformen, auf denen Programme und Trainings in einem digitalen Safe Space angeboten werden.
Dabei hat sich insbesondere ein drei Phasen Ansatz bewährt:
- In einer 1:1 Coaching Check-In Sitzung wird das Engagement der Führungskräfte und Mitarbeitenden geweckt, Ziele definiert und anschließend individuelle Lernpfade ausgewählt.
- Im zweiten Schritt begeben sich die Teilnehmenden in eine Selbstlernphase und Entwicklungsreise durch das gewählte Coachingthema, begleitet durch praktische Übungen, evidenzbasierten Coachingmethoden sowie Reflexionsfragen.
- Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse und offenen Fragen in einer 1:1 Check-Out Sitzung reflektiert und beantwortet.
3. Tipp: Kurz und knackig halten
Die Umsetzung von Maßnahmen, wie beispielsweise Seminare oder Trainings, sollte so niedrigschwellig wie möglich gehalten werden. In erster Linie geht es darum, dass alle Teilnehmenden mühelos mitmachen, egal ob Vorerfahrungen vorhanden sind oder nicht. Eventuelle Theorie-Einleitungen sollten leicht und übersichtlich gehalten werden, von komplizierten Stressmodellen oder Studien ist abzuraten.
Alle Trainings und Learnings verfolgen im besten Fall eine Hands-On-Mentalität und zeigen den Teilnehmenden, was sie hier und jetzt aktiv verändern können. Insbesondere im BGM-Handlungsfeld mentale Gesundheit ist dies für eine nachhaltige Umsetzung von Maßnahmen entscheidend. Eine kurze, prägnante und insbesondere alltagstaugliche Herangehensweise, der „snackable content“, beweist sich als besonders Erfolg bringend.
„Es ist gut, wenn man direkt losgelegen kann und sich nicht zu sehr in der Theorie verrennt. In einem Psychologie-Studium lernst du viel theoretische Hintergründe, Modelle und biologische Grundlagen. Diese Theorie modern und zeitgemäß in die Praxis zu übersetzen, ist herausfordernd“, sagt Leonie Asche. „Im Endeffekt muss sich die Frage klären: Okay, wie kann ich das jetzt anwenden? Das sollte man im Hinterkopf behalten.“
4. Tipp: Gelerntes präsent halten
Das Gelernte sollte im Nachgang nach Möglichkeit durch wöchentliche Erinnerungen untermalt werden.
Liefen die Gesundheitsmaßnahmen für sechs Wochen, könnten die Erinnerungen danach beispielsweise einmal die Woche in Form von Postkarten oder kleinen Flyern im Unternehmen ausgelegt werden. Diese Karten können eine bestimmte Atemtechnik oder einen Fun Fakt beinhalten und so generieren, dass ehemalige Teilnehmende das Gelernte auch langfristig bei sich behalten.
Die mentale Gesundheit zählt zu einem wichtigen Teil des BGM. Gerade aufgrund dieser Wichtigkeit, welche durch die Corona-Pandemie aktueller ist denn je, darf sie in der Arbeitswelt nicht außer Acht gelassen werden. Aktuelle Studien zeigen zwar, dass immer mehr Unternehmen diese Wichtigkeit wahrnehmen und anerkennen, trotzdem setzt nur ein vergleichsweise kleiner Teil Maßnahmen gezielt um. Insbesondere Führungspersonen stellen sich oft quer.
Dabei ist die Implementierung von BGM-Maßnahmen nicht nur gut für das allgemeine Unternehmensklima, sie fördert auch ein positives Image in der öffentlichen Wahrnehmung und ist ein entscheidender Faktor im Employer Branding.
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Leonie Asche ist ausgebildete Psychologin und auf betriebliches Gesundheitsmanagement spezialisiert. Seit November 2020 arbeitet sie als Beraterin bei move UP, einer Gesellschaft für Gesundheitsmanagement. Hier leitet sie das Team „mentale Gesundheit“.